Es ist ja so eine Sache mit Erwartungen. Sind sie zu groß, wird man enttäuscht. Aber beherrschen kann man sich ja doch nicht und wenn man sich auf eine Sache freut ist das ja auch immer besser, als wenn man skeptisch ist, oder?
Seit ich denken kann, gibt es etwas, das mich an Großbritannien und vor allem London fasziniert. Keine Ahnung, wo das herkam, aber es wurde mit den Jahren immer "schlimmer". Und trotzdem habe ich es nie geschafft, den Sprung auf die Insel zu machen. Bis letzte Woche. Fünf wunderbare Tage habe ich in London und Umgebung verbracht. Und meine überdurchschnittlich hohen Erwartungen wurde erfüllt. Vielleicht sogar mehr als das.
Als Deutscher nach England zu kommen ist irgendwie eine Wohltat. Zumindest empfand ich das so. Im Grunde genommen wird einem alles erklärt und vor allem: Es wird auf dich aufgepasst! Mind the gap, mind the steps, mind your head - egal was es ist, vor allem an Bahnhöfen wird dafür gesorgt, dass einem nichts passiert. Und dass man sich nicht verläuft. Und dass man in den richtigen Zug steigt. Bei den Münchner Uban-Ansagen kennen sich ja manchmal sogar gebürtige Einwohner nicht mehr aus! Nicht so an den Londoner Bahnhöfen. Und wenn die Informationen noch so unwichtig sind, vollkommen egal: Sie werden an den Mann gebracht, es gibt sicher jemanden, der dafür dankbar ist! Besonders schön fand ich ja die Plakate, die die alte Regel "Rechts stehen, links gehen" bewarben: "A little courtesy won't harm you!" - würde hier bei uns so manchem auch nicht schaden. Genauso wenig wie die Regel, dass man sich immer oder links halten soll, damit man nicht mit den Entgegenkommenden kollidiert. Das beugt vielen Unannehmlichkeiten vor!
Ich bin ja ein leidenschaftlicher Fußgänger. Und wie sich herausstellte, ist London genau die richtige Stadt dafür! Die Fußgänger haben hier auch echt Glück - breite Gehwege, Ampeln, die wirklich lange auf Grün stehen. Autos, die einen nicht über den Haufen fahren, auch wenn man bei Rot über die Ampel rennt. Und überall auf den Straßen der nette Hinweis, in welche Richtung man schauen muss, ob sich ein Auto nähert. Und irgendwie kam es mir so vor, als wären (vor allem im Vergleich zu München) richtig wenige Fahrradfahrer unterwegs. Was ebenfalls angenehm ist, denn dass die sich nicht gut mit Fußgängern verstehen, das weiß man ja auch.
Aber nicht nur in London macht ein Fußmarsch Spaß! Auch auf dem Land, speziell in Derbyshire, gibt es viel zu sehen. Grün, wohin das Auge blickt und die schönsten Häuser, die man sich vorstellen kann. Sogar in kleinen, entlegenen Dörfern. Pubs, Tante-Emma-Läden, Wohnhäuser - Wer zu Fuß unterwegs ist, kann viele Schätze entdecken!
Das Klischee über Engländer sagt ja, dass sie gerne Schlange stehen. Und das ist noch nicht einmal verkehrt. Aber: Sie können es auch. Sie haben es quasi perfektioniert. Schlange stehen ist hier eben Volksbrauch, aber dabei sind die Briten so entspannt, dass man sich gerne mit anstellt. Bei Ausstellungen werden Karten ausgestellt, die den Einlass zu einem bestimmten Zeitpunkt erlauben. Bis es soweit ist, stellt man sich an. Will man in einen Bus einsteigen, stellt man sich an bzw. setzt sich wie die Hühner auf der Stange der Bushaltestelle hin. Will man ein Taxi, stellt man sich an. Will man etwas an einer Kasse bezahlen oder irgendwo einchecken, wartet man, bis einem mitgeteilt wird, dass ein Schalter frei ist. Und so weiter. Ich glaube, die Deutschen werden das nie können. Dazu drängeln sie sich viel zu gerne vor und rempeln andere an. Da kann man ja manchmal fast froh sein, wenn sie einen irgendwo aussteigen lassen, bevor sie hineinstürmen!
Allgemein ist es ja so, dass ich nichts weniger ausstehen kann, als unhöfliche Menschen. Und siehe da: Die Engländer waren ein Vorbild an Höflichkeit. Allesamt. Ständig entschuldigt sich jemand beim anderen, wenn er ihn aus Versehen angerempelt hat. Irgendwie schauen auch die Menschen nicht so griesgrämig, wie bei uns. Und was mich am meisten beeindruckt hat: Man bedankt sich z.B. beim Busfahrer, wenn man aus dem Bus aussteigt. Wer macht denn in Deutschland sowas? Ich war begeistert. Danke sagen ist keine große Anstrengung, aber es macht einen großen Unterschied!
Und sonst? Sogar das Fernsehprogramm war besser. Aber wen wundert das, wenn man im Land von BBC ist und viele tolle Sachen auf Englisch schauen kann. Und dass Europas größte Buchhandlung in London ist (Waterstone's am Picadilly Circus) ist auch kein Wunder. Wir mögen das Land der Dichter und Denker sein, aber in England ist der Stellenwert viel höher. An jeder Ecke findet man etwas zur Literatur. Und seien wir mal ehrlich: Die besten Autoren kommen ja auch von der Insel, zumindest wenn man mich fragt. Und die Briten sind stolz auf sie. Und zwar alle. Wer ist denn bei uns mit 15 stolz darauf, dass er ein Landsmann von Goethe ist? Na also.
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