Sonntag, 28. Mai 2017

Unsere liebsten Leinwandheldinnen - Vorbilder oder abschreckende Beispiele?

"What would xy do" ist so eine Frage, die es nicht erst seit gestern gibt, die sich aber nach wie vor allergrößter Beliebtheit erfreut. Wenn Frau nicht mehr weiter weiß, dann überlegt sie sich "What Would Audrey Do?" (und bekommt hier das passende Buch dazu), oder auch "What Would Jackie O. Do?" (man glaubt es kaum - hier hat ebenfalls ein Buch die Antworten parat) und was natürlich immer geht: "What Would Beyonce Do?" Die Möglichkeiten sind schier endlos und für jeden Typ Mensch bzw. jede Situation hat man jemanden parat.
Auch ich erwische mich manchmal bei dieser Frage und tausche, je nach Situation, die Person aus. Mal ist es Carrie Bradshaw, mal ist es Holly Golightly, mal Rory Gilmore, manchmal aber auch ihre Mutter Lorelei. Auch ich habe ein ganzes Arsenal an Vorbildern, an denen ich mich gerne einmal orientiere.

Wobei orientieren vermutlich gar nicht das richtige Wort ist. Vielleicht würde eher passen, dass ich mich an ihnen messe, mich mit ihnen vergleiche, nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden suche und versuche, daraus eine Lehre zu ziehen. Ich erwische mich oft bei Gedanken wie "In meinem Alter hat xy folgendes gemacht" oder auch "Na noch bist du ja nicht 35 wie Carrie Bradshaw". Nüchtern betrachtet ist das alles natürlich relativ schwachsinnig, weil niemand ein Leben wie eine Serien- oder Filmfigur führt - egal, wie realistisch diese geschrieben und dargestellt sein mag. Aber man tut es trotzdem.


Als ich angefangen habe zu sammeln, welche Damen ich denn mehr oder weniger zu Rate ziehe, wenn ich eine kleine (oder auch mal größere) Lebenskrise habe, fiel mir eine Gemeinsamkeit auf: Sie sind alle nicht sonderlich sympathisch, wenn man es genau betrachtet und mal ein wenig darüber nachdenkt. Wahrscheinlich macht sie das zu Charakteren, mit denen man sich identifizieren kann, denn wer ist schon immer nett? Aber auf der anderer Seite ist es auch ein wenig befremdlich, dass man sich an Frauen (mögen sie auch fiktiv sein) wendet, die eigentlich keine Vorbilder sein sollten.

Carrie Bradshaw
Manchmal wäre ich gerne Carrie. Sogar erstaunlich oft, wenn ich ehrlich bin. Als Freelancerin schreiben, in New York leben, einen tollen Kleiderschrank und wunderbare Freundinnen haben - Wieso nicht? Klingt nach einem Leben, das ich ganz gut führen könnte. Meistens ist mein Leben ein wenig so, wie First Season Carrie. Irgendwie kein Geld, irgendwie seit Ewigkeiten Single, irgendwie ein bisschen verloren. So weit die Parallelen. Ansonsten fällt mir bei jedem weiteren Sex and the City Rewatch auf, dass ich charakterlich so gar nicht wie Carrie sein will. Sie ist oft eine schlechte Freundin, weil sie absolut nicht zuhören kann und auf jedes Problem mit einem eigenen Problem antwortet. Zu den Männern ist sie auch meistens nicht wirklich nett (Aiden mit Big zu betrügen - großes Kino!) und neurotisch ist sie obendrauf auch noch mit Tendenz zur Superzicke (Beispiel gefällig?)
Vorbildfunktion? 30%

Holly Golightly
Eigentlich sollte Holly überhaupt kein Vorbild sein, aber ich hatte sie einmal eingebaut in ein "Beschreibe dich selbst mit drei Leinwandheldinnen"-Ding und schulde es ihr demzufolge, dass sie hier auftaucht. Ich weiß gar nicht, wo ich Ähnlichkeiten zu Holly sehe oder wo sie ein Vorbild sein kann. Ich vermute mal, es ist ihr Freigeist, der es mir angetan hat. Sie lässt sich nicht einsperren, was sie auch gerne mal betont und eigentlich ist sie ständig "auf der Flucht" vor etwas. Als Wassermann-Frau par excellence kann ich das mehr als nur nachvollziehen. Und wie wir alle wissen (Spoiler) wird das am Ende ja doch noch etwas mit ihr und man hat so eine kleine Charakterentwicklung miterlebt. Holly versteht man ansonsten am besten, wenn sie sich selbst erklärt: Hier zu sehen. 
Vorbildfunktion? 20%

Rory & Lorelai Gilmore
Die Gilmore Girls. Großer Vorteil der beiden: Ich möchte in Stars Hollow leben. Für immer und ewig. Wie alle Fans der Serie ist das kleine Örtchen wie eine zweite Heimat für mich und vor allem im Herbst würde ich wahrscheinlich vor Begeisterung durch das Laub toben wie ein liebestoller Kirk. Rory und Lorelai trinken mindestens so viel Kaffe wie ich, Rory liest noch ein wenig mehr Bücher als ich (untertrieben) und schnell reden kann ich auch. Manchmal sehe ich mich als Gilmore Girl. Und manchmal eben auch nicht. Als ich jünger war, war ich Rory sehr ähnlich. Inzwischen bin ich wohl eher Lorelai (worüber ich schon hier philosophiert habe). Als ich letztens A Year In the Life zum zweiten Mal geschaut habe, habe ich einige Parallelen zwischen mir und Rory entdeckt, vor allem, was Dinge wie Zukunftsangst und Ziellosigkeit angeht. Fast hätte ich mich so richtig mit ihr identifiziert und mir ein paar Sachen von ihr abgeschaut. Bis dann das mit den Männern kam. Dann hatte ich nicht nur das Gefühl, einen völlig anderen Charakter vor mir zu haben, sondern fragte mich auch, wie ich von so einer Person etwas lernen soll oder will. Ein Beispiel gefällig? Aber gerne doch
Vorbildfunktion? 40%

Patti Robinson
Good Girls Revolt schaue ich nun bereits zum zweiten Mal, weil mich die Serie auf vielen Ebenen fasziniert. Vom Treiben in einer Redaktion in den späten 60ern über die Emanzipation der Frauen in dieser Zeit bis hin zum Soundtrack - Ich mag die Serie und ich schaue sie gerne. Leider wurde sie ja nach einer Staffel abgesetzt, dafür ist diese richtig gut. Patti Robinson ist eine der Hauptpersonen - Wenn man so will, dreht sich ein Großteil der Story um sie. Patti ist Researcher bei News Of The Week. Das heißt, sie findet für "ihren" Repoter alle wichtigen Infos, die er zum Verfassen der Artikel braucht. Patti hat ein wahnsinniges Wissen, ein umfangreiches Netzwerk und scheut nicht davor zurück, auch einmal Risiken einzugehen für eine Story, die am Ende dem Reporter Ruhm einbringen wird. Zudem mag ich, dass man sie (grob gesagt) als Bohemian bezeichnen kann. Wieder so ein Freigeist. Problem an Patti? In ihrer unabhängigen Art verletzt sie gerne einmal die Gefühle ihrer Mitmenschen - zwar geht sie nicht unbedingt über Leichen, aber sie scheut eben vor wenig zurück. Der Trailer zeigt das ziemlich gut. 
Vorbildfunktion? 60%


Céline aus der Before Sunrise Trilogie
Ich komme gerade aus Wien und das verlangte natürlich nach Before Sunrise. Da ich diesen Blogeintrag schon im Hinterkopf hatte, als ich den Film vorhin geschaut habe, achtete ich also mehr oder weniger bewusst auch auf Céline und was für ein Charakter sie ist. Vor allem, wenn man die komplette Trilogie gesehen hat, kann man sich ein gutes Bild von ihr machen und sie einschätzen. Was zuerst auffällt? Sorry, aber die neurotische Klischee-Französin ist sie auf jeden Fall. Aber Céline ist vor allem eine wahnsinnig kluge Person mit einem feinen Sinn für Humor und einem hohen Selbstwertgefühl. Sie lässt sich von niemandem etwas sagen und das schüchtern den guten Jesse natürlich ein, vor allem als sie sich kaum kennen und durch Wien wandern (siehe zum Beispiel hier). Aber ganz offensichtlich gefällt ihm das an ihr genauso gut wie mir. Mit Céline würde man selbst gerne in einem Pariser Café sitzen und ein par Zigaretten rauchen - hinterher wäre man um einige Lebensweisheiten reicher und hätte zudem etwas über Kunst, Literatur und Geschichte gelernt.
Vorbildfunktion? 70%

4 Kommentare:

  1. Schöner Artikel. Ich würde persönlich wohl am ehesten What Would Buffy Do? sagen. Zum Glück gibt es auch dazu ein eigenes Buch :)

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    1. Im Nachhinein betrachtet, habe ich eh einige Heldinnen vergessen (Buffy, B'Elanna Torres, ...), aber wahrscheinlich habe ich die zu wenig im Kopf bzw. waren die anderen einfach aktueller und teils eben so schön kontrovers :D

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    2. Es ist vielleicht auch ein Unterschied, ob es um "realistische" Welten geht oder reine Fantasy. Carries Job ist zwar auch unrealistisch, aber Autorin in New York doch noch irgendwie wahrscheinlicher als Vampirjägerin.

      Dafür bieten sich die großen Metaphern aus Sci-Fi/Fantasy vielleicht besser an um Vorbilder zu finden, als die kleinen komplexeren Alltagssituationen mit denen wir alle kämpfen.

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    3. Mal sehen, eigentlich könnte man da ja direkt noch was drüber schreiben... :D
      (Negativbeispiele gibt's ja auch ein paar...)

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