Samstag, 3. Juni 2017

Das Konzept Comfort Zone und wie ich damit allen auf den Keks gehe

Vor ein paar Tagen schickte mir eine Kollegin eine Excel-Tabelle zu. Das ist an sich nichts ungewöhnliches bzw. passiert jedem von uns vermutlich mehrmals täglich. Ich dachte mir also auch nichts dabei, als ich die Datei öffnete, immerhin erwartete ich nur ein paar Zahlen (würg) oder ein bisschen Text. "Ein bisschen Text" war tatsächlich drin, aber nicht so, wie ich mir das gedacht hatte. Neben der erwarteten Tabelle prangte nämlich ein riesiges Bild, das mir entgegen rief: Great Things Never Came From Comfort Zones. Und ich musste erst einmal lachen. Zum Einen, weil der Spruch so unerwartet kam, zum Anderen, weil ich selbst den Leuten seit ein paar Wochen mit meinem Comfort Zones gehörig auf den Keks gehe. 
(Und ja, keiner kann diese motivierenden Sprüche-Bilder mehr sehen, aber ich packe sie hier trotzdem mit rein. Ätsch.)

Lange Zeit habe ich mich gar nicht wirklich mit dieser ominösen Sache beschäftigt, was vermutlich daran lag, dass ich ganz zufrieden war in meiner Zone - ist ja auch bequem da und man lebt so gemütlich vor sich hin - passt doch. Aber die großartigen Dinge, die Magie oder - wenn man ganz enthusiastisch ist DAS LEBEN! -  passieren einem dann, wie die vielen Sprüche so schön sagen, eher selten. Immer fleissig an Dingen teilnzunehmen und dabei eine Rolle im Hintergrund zu spielen, war mir lange Zeit ziemlich recht, weil ich das Gefühl hatte, etwas zu tun ohne dass es mir "Angst einflösste" oder mich aus meiner Bequemlichkeit herausholte. 29 Jahre lang kam ich damit ziemlich gut zurecht und ab und zu lockten mich andere aus meiner kleinen Ecke heraus und "zwangen" mich dazu, über meinen sprichwörtlichen Schatten zu springen. Aber wenn es sich vermeiden ließ, dann ging ich doch auf Nummer Sicher. Und vor allem kam ich selten bis gar nicht auf die Idee, selbst diesen Schritte oder gar ein paar Schritte zu wagen.

Ich weiß nicht, wie und wann es gekommen ist, aber seit neuestem ist mein Mantra (wenn man so will) eher das Gegenteil geworden. Jetzt denke ich mir erstaunlich oft "Mach das, das ist außerhalb deiner Comfort Zone". Und dann mache ich es auch. Oft sind es kleine Dinge, manchmal muss ich mich aber wirklich etwas trauen. Und siehe da: Es ist bisher noch nicht schlimmes passiert, tatsächlich eher gute Sachen und am Ende war ich irgendwie stolz auf mich. Und vor allem habe ich etwas festgestellt: Wenn man die Dinge selbst in die Hand nimmt, dann kommt man auch vorwärts. Darauf warten, dass andere etwas für einen tun, weil man sich selbst nicht traut, hat irgendwie noch nie wirklich geholfen. Und vor allem: Wenn man selbst beschließt, dass es jetzt soweit ist, dann traut an sich auch wirklich und ist nicht nur halbherzig dabei, weil jemand anders das will oder man diesem jemand etwas beweisen will. 

Die Comfort Zone fasziniert mich. Nicht nur meine eigene und mein Verhältnis zu ihr. Das ganze Konzept ist irgendwie spannend. Wie definiert man sie? Wie unterschiedlich ausgeprägt ist sie bei den verschiedenen Menschen? Muss man sie wirklich verlassen oder sollte man die Zone einfach erweitern? Was bringt es denn, wenn man sich außerhalb der Comfort Zone bewegt und sich dabei ständig unwohl fühlt? 


Wikipedia sagt zur Comfort Zone folgendes: "A comfort zone is a psychological state in which things feel familiar to a person and they are at ease and in control of their environment, experiencing low levels of anxiety and stress. In this zone, a steady level of performance is possible. Stepping out of a comfort zone raises anxiety and generates a stress response. This results in an enhanced level of concentration and focus." Und damit ist auch ganz gut beschrieben, welches Problem ich - trotz all der positiven Aspekte und Erfahrungen - mit diesem Konzept habe. Denn dass man gestresst wird, nur weil man seine Zone verlässt, das finde ich dann wiederum eher kontraproduktiv. Ich will mich ja nicht freiwillig selbst fertig machen. Es sei denn, ich habe so ein wenig masochistische Tendenzen, aber das steht wohl auf einem anderen Blatt.

Ich finde, wie so oft im Leben, sind auch hier die vielen Grauzonen zwischen schwarz und weiß interessant. Denn von einem "Ich sitze immer in der hintersten Ecke und sage nichts" gleich zu einem "Ich stelle mich vorne hin und halte einen halbstündigen Vortrag" zu springen, nur weil man das Gefühl hat, sich und anderen etwas beweisen zu müssen - macht das jemand? Und kann das klappen oder wird es vor lauter Nervosität eher nach hinten losgehen? Damit anzufangen, sich aktiv an Diskussionen zu beteiligen - das ist doch ein guter erster Schritt. Und wenn einen dann niemand aufgefressen hat, dann kann man darauf aufbauen und schauen, wohin man damit kommt. Auch kleine Schritte führen irgendwann dazu, dass man sagen kann "Guck an - da hab ich mich mal was getraut!" 

(An dieser Stelle des Textes kam im Übrigen meine Mutter vorbei und meinte: "Ahja, gutes Thema, du gehst ja eher ungern aus deiner Comfort Zone heraus!" - So viel dazu...)

Komfortzonen können vieles sein und beschränken sich sicher nicht nur auf die Arbeit. Letztens war ich zum Beispiel wandern - und das war bisher sicher keine Sache, bei der ich mich wohl gefühlt habe. Sogar den Gedanken daran fand ich gruselig. Hinterher war ich aber seltsam zufrieden (plus erschöpft) und ein bisschen stolz, dass ich selber auf die Idee gekommen war, irgendwo herumzukraxeln. Keiner musste mich überreden oder fragen - ich hatte einfach Lust darauf, mal etwas neues zu machen und nicht einfach kategorisch "Nein danke" zu sagen. 


Anderes Beispiel: Kürzlich war ich beim FutureLab des Media Lab Bayern und hatte, vor allem weil ich ziemlich müde war, selbst keine große Lust, meine zu diesem Zeitpunkt relativ passive Comfort Zone zu verlassen. Ich beteiligte mich an der Diskussion in meiner Gruppe und betrieb ein wenig Networking, was eh schon eine Steigerung zum ominösen "früher" war. Aber ich dachte nicht im Traum daran, das Ergebnis besagter Gruppe zu präsentieren. Ganz anders mein lieber Freund Lukas. Als keiner aus seiner Gruppe sich bereit erklärte, stellte er sich vorne hin und erzählte. Und als er sich danach wieder hinsetzte, grinsten wir beide stolz und er meinte nur "Stephie - Ich bin aus meiner Comfort Zone raus!". So einfach ging das und weil er es selbst wollte und sich "bereit" dazu fühlte, war er auch nicht gestresst. Nervös vielleicht, ja. Aber auch das merkte man erst hinterher ein bisschen.

Wie sehr ich mich mit einer Sache beschäftige, sieht man meistens schnell daran, wie viel ich darüber spreche und wie vielen Leuten ich davon erzähle. Seit ich die Grenzen meiner Comfort Zone austeste und das richtige Konzept für mich suche, habe ich bestimmt schon jedem in meinem engeren Freundeskreis davon erzählt. Keine Ahnung, ob ich dadurch manche Leute dazu animiere, auch darüber nachzudenken (so viel Einfluss habe ich dann wohl doch nicht), aber es passieren auch andere schöne Sachen. Zum Beispiel, dass der Artikel 7 Tipps, wie du easy aus deiner Komfortzone ausbrechen kannst auf Edition F online ging und mir die liebe Patricia den Link schickte mit dem Kommentar "Irgendwie hatte ich das Gefühl dieser Artikel hätte auch von dir sein können :D" - über solche Nachrichten freue ich mich dann wie ein Schnitzel, zumal ich zu diesem Zeitpunkt schon geplant hatte, tatsächlich etwas darüber zu schreiben. Die Tipps in diesem Artikel sind übrigens wirklich sehr gut und vor allem wird das "Konzept" so verstanden, wie ich es auch sehen will. Sich auf das besinnen, was man kann ist ein guter erster Schritt. Denn es bringt gar nichts, wenn man meint, man müsse jetzt unbedingt etwas richtig gut machen, was man gar nicht kann oder woran man eigentlich auch kein Interesse hat - das enttäuscht dann doch nur. Und Tipp Nummer 5 (Überall Glitzer streuen) ist sowieso mein Highlight. Ich mache das nämlich auch - Und wenn ich nur das Design meines Browser in Glitzer umändere, wie ich es erst vor ein paar Tagen gemacht habe. 

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