Was Stephenie Meyer sich dieses Mal ausgedacht hat? Sie erzählt den ersten Teil noch einmal. Und das inzwischen zum dritten Mal, auch wenn der geneigte Leser ja weiß, dass die Geschichte aus Edwards Sicht wahrscheinlich nie zu Ende erzählt werden wird. Ihr neuer Ansatz wiederum klingt zuerst einmal interessant: Gender Swap, also Geschlechtertausch, um es in klaren Worten zu sagen. Aus Bella wird Beau, aus Edward wird Edythe. Tatsächlich mal eine ungewöhnliche Idee. Gäbe es da nicht so einige Probleme...
Der Grund für Meyers Entscheidung, die Geschichte mit vertauschten Geschlechtern neu aufzurollen ist wohl auf die Kritik zurückzuführen, die ihr jetzt seit beinahe zehn Jahren entgegenschlägt. Kritik an den antiquierten Geschlechterrollen in Twilight, an der dargestellten Beziehung, die vor allem in den späteren Bänden absolut nicht gesund ist. Bella ist die klassische "Damsel in distress" und Edward der kontrollsüchtige Kerl, der das ausnutzt, wenn man stark verallgemeinert und es ein wenig auf die Spitze treibt. Was Stephenie Meyer also mit Life and Death (Biss in alle Ewigkeit) zeigen will? Andersherum wäre es genauso. Es geht um einen "Human in distress", der sich gegen die Avancen des schönen, manipulativen Vampirs nicht wehren kann. Also haben wir hier einen Beau Swan, der ohnmächtig ist gegen das, was Edythe Cullen macht. Soweit, so gut.
Oder auch nicht. Ich muss an dieser Stelle betonen, dass ich nicht das ganze Buch gelesen habe und es auch nicht tun werde. Muss ich auch nicht, denn: Ich habe ja Twilight gelesen. Ich weiß, was passiert. Und ich weiß im Grunde sogar, was gesprochen wird, denn die liebe Ms Meyer hat es sich ein wenig einfach gemacht. Hier kann man eine Szene nachlesen und wer noch in etwa den Wortlaut des "Originals" im Kopf hat, der wird ein saftiges Deja-vu Erlebnis haben. Und das ist, bitteschön, mal nicht der Sinn der Sache! Wenn ich eine Geschichte neu erzählen will, vor allem wenn ich meine Kritiker mundtot machen will, dann sollte ich mir schon ein wenig mehr Mühe geben. Wenn man sich dazu entschließt, die exakt selbe Geschichte auf andere Art zu erzählen - schön und gut! Aber das heißt nicht, dass man alle paar Zeilen die Copy- und Paste-Tasten benutzen sollte. Und das heißt vor allem nicht, dass sich Beau absolut so verhalten sollte wie Bella und die schöne Edythe sollte auch nicht ganz so sehr an den überschönen Edward erinnern. Dann kann man es nämlich auch gleich bleiben lassen! Und gerade, wenn man mit so einer Geschichte auf berechtigte Kritik reagiert, dann sollte man sich ganz genau überlegen, was man da eigentlich macht.
Überflüssige Fortsetzung? Definitiv. Ungefähr so überflüssig wie Teil zwei bis vier der Twilight-Reihe. Wäre nämlich nach Band eins Schluss gewesen, müssten wir nicht so viele Diskussionen führen und Stephenie Meyer sich nicht andauernd rechtfertigen.
Wofür Stephenie Meyer sich auch rechtfertigen muss, zumindest indirekt? Ihr ahnt es schon: Shades of Grey. Die Sachen haben wir ja lang genug durchgekaut, Parallelen gibt es viele. Und irgendwie hab ich so das Gefühl, dass E.L. James und Ms Meyer sich ganz gut verstehen in Sachen "Wie schlachte ich diese Sache besonders gewinnbringend aus?" Wie sonst könnte man sich erklären, dass wir nach der Shades-Trilogie gleich noch mit Grey gestraft wurden? Auch hier reagierte man, wenn man dem Statements glauben schenken möchte, auf Kritik. Anastasia Steele und Christian Grey als der Inbegriff einer kranken Beziehung. Grey als der Antiheld schlechthin, der all das verkörpert, was man eigentlich nicht in einem Mann will, worüber aber viele aufgrund seines Reichtums und seines Aussehens hinwegsehen.
Die Geschichte aus seiner Sicht zu erzählen scheint also im ersten Moment ein schlauer Schachzug zu sein: Endlich kommt er zu Wort, endlich kann man verstehen, was in ihm vorgeht, warum er so krankhafte Züge an sich hat. Theoretisch jedenfalls. Praktisch wurde durch dieses Buch alles noch viel schlimmer! Der Eindruck, den die Trilogie vermittelte, wurde zementiert, der Charakter rutschte ab in die bodenlose Sympathielosigkeit. Der Schuss ging eindeutig nach hinten los. Und ich frage mich: War ihr das nicht klar? War das so beabsichtigt? Sieht sie nicht, wen sie da erschaffen hat? Findet sie das normal? Und vor allem: Kann sie vielleicht einfach nicht schreiben und das rüberbringen, was sie eigentlich sagen will? Das wäre die einzig vernünftige Erklärung.
Auch hier gibt es einen großen, roten Stempel mit "Bitte nicht!" und die Verweigerung meinerseits, dafür auch nur einen Cent auszugeben. Mir haben ein paar Auszüge gereicht, um meinen Kopf irgendwo dagegen schlagen zu wollen. Und das sollte eine Lektüre nun wirklich nicht auslösen.
Ich habe nichts gegen Fortsetzungen mit Perspektivenwechsel und gegen den neuen Trend, eine Geschichte aus einem anderen Blickwinkel zu erzählen. Ich mochte beispielsweise Trust in me von Jennifer L. Armentrout sehr. Hier wird die Geschichte von Wait for you aus männlicher Sicht erzählt. Tammara Webber beschreibt in Breakable die sehr interessante "andere Seite" zu Easy.
Es kommt also schlicht und ergreifend darauf an, was der Autor aus dem Ansatz Perspektivenwechsel macht. Was hilft? Wenn die Geschichte von vornherein interessant ist und man wissen möchte, was im Kopf des zweiten Protagonisten vor sich geht. Auch von Vorteil? Wenn der Autor schreiben kann. Aber das ist dann wieder eine ganz andere Geschichte...
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