Den Anfang macht Very Good Lives von J.K. Rowling. Es passt auch gut in die Kategorien Motivation und Schön gestaltetes Buch, aber vor allem passt es gut in eine Kaffeepause.
Mit dem Untertitel The Fringe Benefits of Failure and the Importance of Imagination wird der Inhalt kurz umrissen. Und wer kennt sich besser mit gerade diesen beiden Themen aus als die Autorin von Harry Potter? Die Worte in Very Good Lives sind die, die sie in einer Rede für Harvard Absolventen gehalten hat. Motivierende Worte, die sie jungen Menschen auf den Weg geben wollte, die inspirierten und dabei selbst Fragen aufwarfen.
Having the courage to fail is as vital to a good life as any conventional measure of success - das ist ein Teil ihrer Botschaft und sie hat absolut recht damit. Mein eigener Blick fällt, nachdem ich diese Worte gelesen habe, erst einmal auf meine linke Hand und auf den Ring, den ich dort seit fast zehn Jahren trage. Tag für Tag begleiten mich ähnliche Worte, die Samuel Beckett einst sagte: Try Again. Fail Again. Fail Better. Zu versagen ist keine Schande. Aber man wächst damit und wenn man nichts versucht, dann kann auch nicht irgendwann etwas Positives passieren!
Nur den Text von Rowlings Rede abzudrucken wäre vielleicht etwas wenig Material für so ein Buch gewesen. Natürlich gibt es Potterheads wie mich, die den Namen der Autorin lesen und wissen, dass sie das Buch haben müssen, egal wie dünn es sein mag. Aber es ist schön zu sehen, wie viel Mühe man sich bei der Gestaltung gegeben hat, um zu unterstreichen, was die Autorin nicht nur den Harvard Studenten, sondern allen Leuten, die sich an einem Wendepunkt in ihrem Leben befinden, sagen will. Und das tut sie vor allem mit der gehörigen Portion Humor für die ich sie so liebe. Sätze wie Now all I have to do is take deep breaths, squint at the red banners, and convince myself that I am at the world's largest Gryffindor reunion zeigen nicht nur, wie wenig ernst sie sich selbst nimmt, sondern vor allem auch dass sie selbst immer noch der größte Potterhead ist. Always.
Man weiß viel über die Autorin von Harry Potter. Man weiß, dass sie lange Zeit am Existenzminimum war und bei vielen Verlagen anklopfen musste, bis sich einer dazu entschloss, ihr großartiges Werk zu veröffentlichen. In ihrer Rede nimmt J.K. Rowling uns noch einmal mit in diese düsteren Zeiten, lässt ihren Werdegang Revue passieren. Und dabei ist sie ganz ehrlich: What I feared most for myself [...] was not poverty but failure. Die Angst zu versagen ist etwas, das jeder von uns kennt. Den Tiefpunkt zu erreichen und zugeben zu müssen, dass man etwas nicht geschafft hat.
Ich würde an dieser Stelle am liebsten jeden zweiten Satz zitieren. Denn Rowling schafft es, wie man es von ihr gewohnt ist, die richtigen Worte zu finden und dabei jeden anzusprechen, der sich schon einmal an einem Punkt befunden hat, wo das Wort Failure / Versagen fest in jedem Gedanken und in jeder Handlung verankert war. Sie weiß, wie es sich anfühlt und vor allem auch, dass zwischen der persönlichen Einschätzung und der der Umwelt Welten liegen können. Denn bekanntlich hat ja jeder eine Meinung. Sie selbst sah sich als the biggest failure I knew. Vielleicht sah ihre Umwelt das auch so, vielleicht gab es aber auch Menschen, die in weit größerem Umfang versagt hatten. Fakt ist vor allem aber auch: Obwohl das, was Rowling später passieren sollte oft als märchenhaft dargestellt wird, darf man eins nicht vergessen: Zu dem Zeitpunkt, als sie ganz unten war, wusste sie noch nicht, was ihr passieren würde. Sie konnte hoffen und an ihrem Traum arbeiten. Aber niemand wusste, ob es funktionieren würde. Und jetzt kommt der wichtige Punkt. Was J.K. Rowling gelernt hat und uns allen mit auf den Weg geben will: Manchmal ist das Versagen ein versteckter Wohltäter. Wenn man an dem Punkt angelangt ist, an dem es nicht mehr schlimmer werden kann, entdeckt man ungeahnte Stärken und Kräfte in sich. Wenn man will und wenn man einen Traum hat. Es werden Seiten an einem freigelegt, die man bisher nicht kannte. Und dann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem man etwas tun muss.
The Importance of Imagination ist der zweite wichtige Aspekt in Rowlings Rede. Das mag einem logisch vorkommen, denn man weiß ja, was ihre Vorstellungskraft erschaffen hat und wie weit sie es damit gebracht hat. Aber das allein ist es nicht. Was dazu gehört ist nämlich auch sich vorstellen zu können (und vor allem zu müssen!), dass es Menschen gibt, denen es viel schlechter geht, als einem selbst, egal wie schlecht es einem zu gehen scheint. Hier beschreibt sie ihre Arbeit bei Amnesty International, der sie in ihren frühen Zwanzigern nachging und die ihr, auch als sie selbst am Boden war, zeigte, dass wir alle es im Grunde einfach gut haben, egal, wie schlecht es uns zu gehen scheint. Gerade momentan ist dieser Aspekt aktuell und wichtig wie nie. Darüber zu jammern, dass man keine Arbeit hat, dabei aber in einer warmen Wohnung zu sitzen, zu essen zu haben und nicht um sein Leben fürchten zu müssen, erscheint in Relation wie ein Witz und nicht der Rede wert. Und hier kommt Imagination ins Spiel. Denn der Mensch ist in der Lage, sich gedanklich in andere hineinzuversetzen, sich vorzustellen, wie es wäre, ein anderes Leben zu führen. Ein schlechteres Leben. Die Frage ist nur: Macht man das oder entschließt man sich dazu, sich vor dieser Vorstellung zu verschließen, weil man der Meinung ist, dass es einem dann besser geht? I think the willfully unimaginative see more monsters. Und ich denke, da hat sie recht.
Joanne K. Rowling hat ihre Rede im Jahr 2008 gehalten. Und wie gerne wäre ich dabei gewesen, als sie vor all diesen Leuten stand und über diese beiden so wichtigen Themen gesprochen hat. Denn schon beim Lesen ihrer Worte, ohne ihre Stimme zu hören, merkt man, wie man beeinflusst wird. Wie man auf der einen Seite neuen Mut fassen kann, wenn man das Gefühl hat, gerade an einem Tiefpunkt zu sein. Und wie man auf der anderen Seite alles in Relation sieht, weil das Drama im großen Gesamtvergleich doch verschwindend gering ist. Mir war vor der Lektüre schon klar, dass das Buch mich inspirieren und beeinflussen würde. Was mir aber nicht so klar war: Obwohl man es wunderbar in der Zeit lesen kann, in der man eine Tasse Kaffee trinkt, ist man dabei so gefesselt, dass das Getränk zur Nebensache wird und wenn man das Buch zuschlägt, steht die Tasse unberührt da und der Inhalt ist kalt geworden.
We do not need magic to transform our world; we carry all the power we need inside ourselves already: we have the power to imagine better
Die Erlöse aus dem Verkauf von Very Good Lives gehen übrigens an Lumos. Infos zu dieser großartigen Organisation gibt es hier.

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