
Weihnachtseinkäufe zu erledigen ist für viele Menschen ja ein Graus. Die Fußgängerzonen sind überfüllt, die Läden sowieso und Lust hat man eh keine.
Soweit, so gut. Meistens ist es ja so, dass die Menschen, die einem den Kram verkaufen, noch viel weniger Spaß an der Sache haben und sich schon seit Januar wieder davor fürchten, diese hektische Weihnachtszeit durchleben zu müssen.
Ich bin jetzt in meinem vierten vorweihnachtlichen Jahr angekommen, man könnte mir also fast so etwas wie Routine nachsagen. Und irgendwie mag ich den Trubel auch gerne. Zumindest manchmal. Es gibt aber auch Tage, da denke ich an das alte Hörspiel "Buchhändlers Weihnacht" und fühle mich darin bestätigt, dass zu Weihnachten sämtliche Irre losgelassen werden...
Es ist 9:26 am dritten Adventssamstag. Die Welt versinkt im Schnee und ich in dumpfem Brüten. Gerade mal seit 26 Minuten haben wir geöffnet und schon hat meine Laune einen ersten Tiefpunkt erreicht. Vielleicht bin ich auch selber schuld. Nicht ausgeschlafen, kein Frühstück gehabt - wie soll man da denn gute Laune haben können?
Aber es kann nicht nur an mir liegen. Denn wären die Leute entspannt (schon wieder dieses Wort) und würden sich nicht aufführen, als käme Weihnachten schon wieder überraschend, dann wäre ich vielleicht auch in der Lage, mich abzureagieren.
Telefon klingelt. Noch klingt meine Stimme freundlich, zumindest bei der Begrüßung. Und ich versuche auch, das beizubehalten. Fällt mir aber schwer. Am anderen Ende der Leitung das übliche Thema "Ich hätte gerne diesen speziellen Kalender, den es nur bei Ihnen gibt! Verschicken sie den auch?" "Nein, tut mir leid" "Aber dann kriege ich den ja NIE! Gibt's den sonst noch irgendwo?" "Nicht, dass ich wüsste!" "Ja, aber... alle Buchhandlungen verschicken doch!" Spätestens hier geht mir die Puste aus. Fange ich jetzt an zu erklären, dass das keineswegs so ist? Oder dass wir aus Personalmangel nicht ständig zur Post rennen können? Dass ich außerdem nicht entscheide, ob wir Versand machen oder nicht? Frage ich nach, ob der Herr wirklich SO weit weg wohnt oder nur auf der anderen Seeseite? Nein, ich gebe resigniert auf, entschuldige mich und beende das Gespräch. Oder er beendet es. Wie dem auch sei, wieder einmal zwei Minuten kostbare Lebenszeit gestohlen.
Telefon auf die Station geknallt, weiter geht es. Buchbestellung. Ich schicke ein Stoßgebete gen Himmel, dass es nicht wieder eine Absurdität aus einem nach dem Autor benannten Selbstverlag ist, die von einer kleinen Regionalzeitung in den höchsten Tönen gelobt wurde, aber schlicht und ergreifend nicht erhältlich ist. Nein, Gott sei Dank: Es geht nur um Hormonyoga. Frage mich kurz, was das ist und stelle dann mit Entsetzen fest, dass ich ja immer noch kein Yoga praktiziere! Kein Wunder, dass ich so unausgeglichen bin.
So viel zum Thema Externa, also Kundenkontakt. Aber nicht nur die machen einem das Leben schwer. Grundsätzlich ist es wirklich anzuraten, einen festen Posten zu haben, den man unter keinen Umständen verlassen darf, koste es, was es wolle. Da habe ich leider was falsch gemacht. Grundsätzlich bin ich ja für das Kinder- und Jugendbuch zuständig. Weitgehend alleine, aber flexibel bin ich ja trotzdem. So flexibel, dass man nur einem kurz meinen Namen um die Ecke brüllen muss und schon komme ich angerast. Blöd nur, wenn in den 15 Sekunden, die das dauert, schon wieder beschlossen wurde, dass ich eigentlich doch lieber in meiner Abteilung bleiben soll. Ich nenne das Sport. Hält definitiv fit!
Früher habe ich mich immer gefragt, wieso es in Buchhandlungen so warm ist. Jetzt weiß ich, warum: Weil wir Frostbeulen sind. Also ich zumindest. Also ist es in meinem Bereich auch immer wohlig warm. Das finde ich gut. Und die Leute auch. Vor allem an Samstagen. Wenn es draußen schneit und stürmt, dann kann man sich ja mal zwei Stunden in die Kinderecke verziehen, dabei sämtliche Winterkleidung im ganzen Laden verteilen und alle Bücher anschauen - am Besten trampelt man noch einem kurz drüber, lässt die lieben Kinderchen alle Klappen aufmachen und nebenbei Schokolade essen. Passt schon, wir können die ja trotzdem verkaufen. Oder etwa nicht? Gibt es etwa tatsächlich Leute, die lieber Bücher kaufen, die neu und ungebraucht aussehen?!
Der Samstag vor dem dritten Advent ist dann geschafft, wenn es 16.00 ist und der letzte Kunde das Geschäft verlassen hat. Wenn man seine müden Knochen nach Hause schleppt, nachdem sie 7 Stunden am Stück damit beschäftigt waren, Kisten zu schleppen, hinter Leuten herzuräumen, in Rekordzeit von A nach B zu galoppieren, sich zu strecken, zu bücken, aufzuspringen, herumzuklettern... das Einzige, worauf man sich jetzt noch freut, ist der hoffentlich freie Sonntag. Doch nach dem Adventssamstag ist vor dem Adventssamstag. Es kommt ja noch einer. Und dass Heiligabend dieses Jahr auf einen Samstag fällt, ist sowieso eine kosmische Grausamkeit. Das sind die drei Stunden im Jahr, an denen man gerne an seinem Verstand zweifeln möchte. Zumindest aber an dem der anderen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen