Freitag, 6. April 2012

Style in Munich - gibt's das?

Wenn man in München lebt und Sbahn fährt, kommt es ab und zu mal vor, dass man an der Donnersbergerbrücke steht. Oder stehen muss. Und das ziemlich lange, weil man da meistens nur dann steht, wenn irgendeine Störung ist und ein Großteil der Züge stadtauswärts nur von dort aus fahren. Das ist nicht sonderlich schön, weil das Störungen nie sind und außerdem zieht es dort meistens wie Hechtsuppe.
Letztens hatte ich wieder einmal das Vergnügen, ein halbes Stündchen dort verbringen zu dürfen. Und weil ich nicht ständig auf meinem Handy herumtippen wollte, habe ich mich einem meiner liebsten Hobbies gewidmet: Leute beobachten. Wenn die Menschen es mit öffentlichen Verkehrsmitteln und den dazugehörigen Wartezeiten zu tun haben, kommt in der Regel ziemlich schnell ihre "dunkle Seite" zum Vorschein. Steht man also wartend an einem Bahnsteig, wird geflucht, was das Zeug hält, vor sich hin geschimpft, mit anderen Wartenden über die Bahn hergezogen, irgendwelche Leute angerufen und ins Handy gebrüllt... was man eben so macht. Kenne ich aber schon, also widmete ich mich an diesem Tag eher mal den etwas oberflächlicheren Beobachtungen: Der Kleidung der Wartenden. Und das war mindestens so aufschlussreich wie das Gebahren der Damen und Herren.


Ganz ehrlich? Mich wundert nicht, dass sämtliche andere deutschen Städte in Sachen Mode und Stil vor München stehen, wirklich nicht. Ich will ja nicht sagen, dass ich immer positiv aus der Masse heraussteche oder überhaupt den richtigen Ton treffe, aber manchmal frage ich mich schon, wieso man sich denn so gar keine Gedanken darüber macht, was man da eigentlich so trägt. Das fängt meistens schon bei den Schuhen an. Klar müssen die auch bequem sein, aber dass das dann einher gehen muss mit einer gewissen Hässlichkeit, will mir nicht in den Kopf! Genauso wenig wie Jacken, die wahrscheinlich super angenehm zu tragen sind, absolut wasserabweisend und so weiter. Aber dass die immer in sackartiger Gestalt und ihn komischen, verwaschenen Farben daherkommen müssen? Wer denkt sich nur so etwas aus? Und Hosen, die zu kurz sind? Bei Menschen, die 1,60 groß sind? Kann doch eigentlich gar nicht sein, oder?
Manchmal wundert es mich auch nicht, dass man gegenüber den Münchnern Vorurteile hat. Viele "Auswärtige" kommen ja eh nur einmal im Jahr hierher: Zur Wiesnzeit. Und da laufen die Münchner ja beinahe unisono in Tracht herum. Und dann fragen sie sich ernsthaft, wieso beispielsweise die Amerikaner der Meinung sind, dass wir nur Dirndl und Lederhosen tragen? Ich finde das verständlich!


Natürlich kann man auch die Münchner in Sachen Stil nicht über einen Kamm scheren, das wäre auch ungerecht. Denn vor allem die jüngeren Generationen sind durchaus in der Lage, sich gut und auch stilvoll anzuziehen. Aber auch hier gibt es einen Trend, der die Meinung der Berliner und Düsseldorfer zu bestätigen scheint: Der Markenwahn! Die Münchner als Schickimickivolk, das alles trägt, was teuer ist. Wenn man in München aufgewachsen ist und sein ganzes bisheriges Leben mehr oder weniger hier verbracht hat, dann fällt einem das schon gar nicht mehr wirklich auf. Man hat sich daran gewöhnt, dass die neuesten Designerhandtaschen an einem vorbeiflanieren und in der anderen Hand die schicken Einkaufstaschen aus der Maximilian- oder Theatinerstraße geschwenkt werden. 


Da ich nun aber einen Mitbewohner habe, der aus dem beschaulichen Bamberg in unsere "Metropole" gezogen ist, bekam ich einen völlig neuen Blickwinkel präsentiert. Das fing schon mit der Frage an "Was sind das eigentlich für komische karierte Schals, die hier immer alle tragen?". Das obligatorische Burberry-Stoffstück also. Wenn man sich schon sonst nichts von den von Christopher Bailey designten Stücken des Traditionshauses leisten kann, schon gar nicht den Trenchcoat, dann muss eben der Schal her. Ob das nun passt oder nicht, ist dann auch egal. Oder will mir jemand weismachen, dass der Kerl im Pasta e Basta, der sich das gute Stück um den Hals drapiert hatte, sich damit wirklich wohl gefühlt hat? Der wirkte auf mich mit seinen Baggyjeans eher wie jemand, der überhaupt keinen Schal tragen möchte. Aber was tut man denn nicht alles für den schönen Schein? In einem Restaurant, das vor allem für seine günstigen Preise bekannt ist, wohlgemerkt!
Nächster Punkt, der mir auffiel, ihm aber bei näherer Betrachtung auch? Die Le Pliage von Longchamp. Gilt ja gemeinhin als Designertaschen, hat aber den Vorteil, dass sie erschwinglich ist. Bis man sich die Bow Bag von Miu Miu oder eine andere der aktuellen It Bags von Prada, Alexander Wang oder sonst wem leisten kann, müssen erst einmal ein Lottogewinn, eine lange Wartezeit oder monatelanger Tütensuppenverzehr ins Land ziehen. Also nimmt man eben eine der tausend Möglichkeiten, die Longchamp zu bieten hat. Vor allem, wenn man jung und hip ist, aber nicht zu den Stoffbeutel-Hipstern gehört. Aber auch nur so lange, bis man sich den nächsten Schritt leisten kann: Die Speedy von Louis Vuitton. Verhältnismäßig erschwinglich, dafür aber meiner Meinung nach weder schön, noch irgendwie individuell. Und unpraktisch noch dazu, weil man nie die Hände frei hat. Den Münchner Ladies scheint das egal zu sein - Hauptsache, man kann das schmucke Stück spazieren tragen!


Nachdem ich mir also so meine Gedanken über den Münchner Stil gemacht hatte bzw. über dessen Nichtvorhandensein auf der einen und den Logowahn auf der anderen Seite, habe ich mir überlegt, ob es eigentlich ein Pendant zu Seiten wie Berlin[Street]Style oder The Sartorialist und Facehunter gibt, die gerne mal in New York, London, Paris oder sonstigen stilvollen Städten unterwegs sind. Und ich wurde fündig: Munich Streetstyle,  der Blog von Elektra und Nikolaus existiert seit 2011. Die beiden kommen eigentlich gar nicht aus München, wollten aber dennoch den Stil der Stadt dokumentieren. Mein erster Eindruck: Wow, die Stadt kann ja doch was! Viele der Outfits begeisterten mich auf Anhieb und lieferten auch Inspiration. Aber auch hier wird schnell klar: Ohne teure Marken geht nichts. Ob das an der Auswahl der beiden Fotografen liegt oder einfach wirklich der Fall ist, kann ich natürlich nicht sagen. Im Gesamtbild stört es auch nicht, weil es schön anzusehen ist und viele Designerteile sind auch wahre Schmuckstücke. Aber es bestätigt so vieles über München, das sich keiner der Einheimischen wirklich eingestehen will.


Interessant zu sehen ist übrigens im Vergleich ein anderer Trend, der es fast schon wert wäre, dokumentiert zu werden: München und die Jogginghose. Und dabei meine ich jetzt nicht wieder die Menschen, die man an der Donnersbergerbrücke beobachten kann, sondern die, die das bequemste aller Kleidungsstücke auf ein neues Level bringen. In der richtigen Kombination sieht das Teil nämlich gar nicht so schlecht aus! Und das sage ich, die nur dann in Jogginghose zum Müll geht, wenn sie sicher ist, dass keiner der Nachbarn guckt! Aber wenn man es richtig anstellt, dann sieht das nicht einmal so schlecht aus und viele Münchner haben das inzwischen perfekt drauf. Wahrscheinlich werde ich es nicht ausprobieren, passt auch nicht zu mir, aber für Kreativität bin ich immer zu haben und für einen klaren, eigenen Stil sowieso!


Der Stil in München steckt also an so mancher Ecke noch in den Kinderschuhen. Oder eher in den Babysöckchen. So manchem wird man da auch nichts mehr beibringen können. Ich glaube aber, dass sich da aber dennoch so einiges tun wird! Den Ruf der Schickimicki-Trachten-Stadt wird man wahrscheinlich so schnell nicht loswerden, aber es wäre ja schon ein kleiner Fortschritt, wenn man im internationalen Vergleich nicht ganz so hinken würde. Der erste Schritt schien ja bereits getan, als man sich zu einer Munich Fashion Week entschied. Laut Website fand sie im Februar 2012 statt. Mitbekommen habe ich davon nicht viel und wohl auch sonst niemand. Auch gibt es widersprüchliche Informationen dazu, denn die Facebookseite Munich Fashion Week scheint sich um ein anderes Konzept zu drehen. Wünschenswert wäre es jedenfalls, denn München hat ja doch einiges zu bieten. Auch wir haben Modeschulen wie die Esmod und die AMD, auch hier sitzen tolle Designer, allen voran die wirklich wunderbaren Talbot Runhof
Die größten und wichtigsten Modezeitschriften des Landes sitzen hier: Vogue, InStyle, Glamour, Joy. Es sprießen auch ständig neue aus dem Boden, allen voran Hype - in der Hinsicht ist München eigentlich der Dreh- und Angelpunkt. Könnte man meinen. 
Wahrscheinlich reicht das heutzutage aber einfach nicht mehr. Aber wozu gibt es denn das Web 2.0? Wozu gibt es Blogger, die auch in München leben und die Stadt ein wenig aufmischen? Ich bin überzeugt davon, dass die Autorinnen vieler meiner Lieblingsblogs noch einiges bewirken werden, was München angeht: I heart Alice, Wind cries Amy, MilleMusings, the3rdvoice, panic and punkrock.

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