Sonntag, 17. April 2011

„Sie Fräulein, könnten Sie mal...“



Wenn man in Bayern lebt, eine Frau und noch dazu (relativ) jung ist, kommt man um eine Sache nicht herum: Das „Fräulein“.
Ich habe schon öfter irgendwo gehört, der Ausdruck sei inzwischen ja wohl komplett ausgestorben, aber das kommt meistens nur von Leuten, die nicht (mehr) zu dieser Kategorie gehören oder nie in Situationen kommen, in denen ein „Fräulein“ angebracht erscheint.
Ich arbeite in einer Buchhandlung auf dem Land. Also es ist nicht dörflich, aber auch nicht im Stadtbereich von München, also nenne ich es ländlich, außerdem haben wir einen großen See. Der tut zwar nichts zur Sache, aber... wir haben ihn nunmal.
Egal. Jedenfalls ist hier das „Fräulein“ keineswegs ausgestorben. Vor allem ältere Damen und Herren benutzen dieses Wort gerne und oft, wenn sie mit mir sprechen. Meistens, wenn sie hinter mir stehen und ich sie nicht sehen kann. Dann freuen sie sich immer, wenn ich nach einem „Sie, Fräulein, Entschuldigung“ vor Schreck erst einmal drei Meter in die Luft gesprungen bin und dabei eine Pirouette vollführt habe. Also sie würden es nie zu geben, aber ich glaube, dass sie mich erschrecken können, gefällt ihnen irgendwie.
Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt und auch daran, „Fräulein“ genannt zu werden. Es passierte einfach zu oft und irgendwie habe ich auch ein Nachsehen. Früher war der Begriff nun einmal Gang und Gäbe, wieso sollte sich das also für die etwas älteren Menschen plötzlich ändern, nur, weil von den nachfolgenden Generationen beschlossen wurde, dass niemand mehr „Fräulein“ genannt werden darf, weil es diskriminierend oder antiquiert ist?
Erstaunt war ich allerdings, als ich auch von Menschen, die noch weit davon entfernt sind, auch nur 50 zu sein, plötzlich mit „Fräulein“ angequatscht wurde. Was hatten die für eine Entschuldigung? Die Macht der Gewohnheit wohl kaum.
Manchmal glaube ich, es liegt am Retro-Trend. Wir kaufen auf Flohmärkten ein, lieben alles, was als „Vintage“ bezeichnet wird – wieso also nicht in die Mottenkiste greifen und das gute alte „Fräulein“ wieder herausholen? Passt doch irgendwie zum momentanen Lebensgefühl.
Und wie das so ist: Man gewöhnt sich an eine Sache und plötzlich findet man sie wieder ganz normal. Inzwischen zucke ich nicht mehr zusammen, aber ein leichtes Grinsen kann ich mir nicht verkneifen. Vielleicht bin ich auch ein Fräulein, wer weiß das schon? Der Duden meint hierzu „Junge Frau vornehmen Standes“. Okay, bin ich nicht. Wäre ich aber gerne, also nennt mich ruhig alle weiter so, ich nehm's euch nicht übel! Und auch „unverheiratete Frau jeglichen Alters“ passt zu mir, also kann ich mich auch angesprochen fühlen.
Würde ich in einem typisch bayrischen Wirtshaus kellnern, habe ich mir sagen lassen, würde ich sowieso auf nichts anderes, als ein gebrülltes „Fräulein“ hören. Klingt ja auch besser, als wenn jemand „Hey, Sie, Kellnerin“ brüllt. Oder „Bedienung, no a Bier, biddsche“. Das „Fräulein“ klingt höflicher und wer will nicht gerne höflich behandelt werden?

Außerdem: Solange es dieses besondere Fräulein hier gibt, sehe ich auch gar keinen Grund, einen irgendwie negativen Beigeschmack an diesem Wort zu finden.

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