Freitag, 16. Oktober 2015

Warum eigentlich Jugendbücher?

In meiner Wohnung befinden sich ca. 650 Bücher. Das weiß ich, weil ich sie gerade alle gezählt habe. Die nach Farben sortierten Hardcover-Bände im Wohnzimmer, die wild durcheinander gewürfelten Paperbacks im Schlafzimmer, zwischen die sich auch gerne Modebücher und Reclam-Bändchen schmuggeln. Dann gibt es da noch die Kochbücher auf dem Fensterbrett in der Küche und auch in allen anderen Räumen verstecken sich überall kleine oder große Freunde, die man dringend genau dort als Lektüre braucht.

Warum ich heute meine Bücher gezählt habe? Zum Einen war ich irgendwie neugierig, wie viele sich tatsächlich in den letzten Jahren angesammelt haben. Als ich vor ziemlich genau vier Jahren in diese Wohnung einzog, hatte ich bereits einige schwere Kisten zu schleppen, aber ich glaube, das hat sich inzwischen verdreifacht. Als ich eineinhalb Jahre zuvor nach München gezogen war, hatte ich maximal 50 Bücher mitgenommen: Meine absoluten Lieblinge und den ominösen Stapel ungelesener Bücher. Ein Großteil meiner Bibliothek befindet sich nach wie vor in meinem Kinderzimmer in meinem Elternhaus.
Was mich aber vor allem interessiert hat: Welchen Anteil nehmen Jugendbücher in meiner Sammlung ein. Das weiß ich jetzt auch: Es sind knapp 250 Stück. Ich hatte ehrlich gesagt mit mehr gerechnet. Dann fiel mir allerdings auf, dass wahrscheinlich viele meiner Jugendbücher gar nicht hier im Regal stehen, sondern eben da, wo die tatsächlichen Bücher meiner Jugend zu finden sind: Im Kinderzimmer. Aber trotzdem sind 250 aus 650 eine Menge.

Warum ich wissen wollte, wie groß der Anteil an Jugendbüchern in meiner Sammlung ist? Weil ich mich momentan, nach über einem Jahr Pause, wieder intensiv mit ihnen beschäftige. Bis August 2014 waren sie sechs Jahre lang ein wichtiger Teil meines Lebens gewesen, denn durch die Betreuung der Kinder- und Jugendbuchabteilung einer Buchhandlung verkaufte ich sie nicht nur täglich, ich las auch fast nichts anderes, weil ich gerne informiert sein wollte, um gut verkaufen zu können. Aber das allein war es nicht einmal. Schon während meiner Ausbildung stellte ich fest, dass ich einen besonderen Bezug zu diesen Büchern habe. Und dabei meine ich nicht nur die tatsächlichen Jugendbücher, die ja auch viele Erwachsene lesen. Auch Kinderbücher haben es mir angetan und ich kann auch jetzt noch mit Freude stundenlang in Bilderbüchern blättern oder zwischendurch eine Geschichte für Grundschüler lesen. Ich glaube, das ist eine besondere Leidenschaft, die man entweder hat oder nicht. Und wenn man einmal hineingerutscht ist, dann kommt man auch nicht mehr heraus. Das merke ich gerade wieder.

Jugendbücher zu lesen hat in den letzten Jahren einen immensen Aufschwung bekommen und ist bei Lesern jedes Alters beliebt geworden. Das liegt natürlich vor allem an John Green und seinem Erfolg. Dafür bin ich ihm unendlich dankbar! Denn nicht nur bekommen jetzt die Autoren endlich die Aufmerksamkeit, die sie verdient haben, es kommt einfach wahnsinnig viel neues hinterher. So viel, dass man gar nicht weiß, was man zuerst lesen soll. Und so viel, dass man vor allem Buchhändler braucht, die bei dieser Menge von Titeln genau wissen, was man lesen muss und welche Autoren ähnliche Stile, Geschichten und Tendenzen haben. Ich denke, das tut auch dem Buchhandel gut. Gott sei Dank! John Green hat das geschafft, was vor ihm gerade einmal J.K. Rowling geschafft hatte: Zum Lesen animiert. Und dabei einiges losgetreten. Leider allerdings nicht nur Positives.

Ich folge einigen Autoren auf Twitter und habe immer wieder mitbekommen, womit sie zu
kämpfen haben. Eines der größten Probleme scheint tatsächlich zu sein, dass sie von ihren eigenen Kollegen teilweise nicht ernst genommen werden. Von denen, die "richtige" Bücher schreiben. Ich kann da nur den Kopf schütteln. Zum Einen, weil ich es einfach nicht fassen kann, wie man die Arbeit eines anderen so herabwürdigen kann. Zum Anderen, weil ihre Argumentation einfach nicht stimmt. Wieso genau sollte ein Buch mit jugendlichen Protagonisten weniger "wert" sein, als ein "normales"? Ist es denn nicht vollkommen egal? Sind die Gefühle nicht trotzdem echt, die Schicksale herzergreifend, die Charaktere interessant? Kommt es nicht vor allem auch darauf an, was man aus der Materie macht? Auf den Schreibstil, den Aufbau einer Geschichte?

Ich wurde vor kurzem gefragt, was für mich den Reiz an Kinder- und Jugendbüchern ausmacht. Was ich geantwortet habe? "Ich finde, die Autoren geben sich mehr Mühe". Ob das daran liegt, dass sie den anderen etwas beweisen müssen oder ob sie einfach mit mehr Leidenschaft am Werk sind, weiß ich nicht. Fest steht: Ich würde mich im Zweifel immer für ein Jugendbuch entscheiden. Die enttäuschen mich wesentlich seltener als so manche ernsthafte Literatur, die sich selbst so für wichtig nimmt, dass sie vor allem vergisst, worum es wirklich geht: Den Spaß am Lesen.

Ich habe in diesem Jahr bisher 58 Bücher lesen. Das ist für mich verhältnismäßig wenig, muss ich zugeben, aber immerhin waren 21 dieser Titel Jugendbücher. Und das, obwohl ich sie nicht mehr lesen "muss". Nein, weil ich will. Weil einige der Titel von meinen absoluten Lieblingsautoren stammten (Sarah Dessen, Maureen Johnson, Rainbow Rowell) und weil ich beim Griff in die Jugendbuchsparte wusste: Dieses Buch wirst zu Ende lesen. Wie oft habe ich schon Romane nach der Hälfte zur Seite gelegt, weil ich mich gequält habe? Das ist nie schön, aber manchmal ein Muss. Und in meinem Lieblings-Genre ist mir das bisher wirklich ganz selten passiert! Selten muss ich mich durch hochverkünstelte Schachtelsätze quälen, mich darüber ärgern, dass etwas hunderte von Seiten lang nur in indirekter Rede wiedergegeben wird. Manche literarischen Werke legen den eigenen Anspruch so hoch, dass der Lesegenuss ganz auf der Strecke bleibt. Und das ist meiner Meinung nach absolut nicht Sinn der Sache!

Ein großer Schritt für Autoren im Genre "Young Adult" passierte dieses Jahr übrigens auch: Sie bekamen endlich ihre eigene Kategorie bei der New York Times Bestsellerliste. Ein Blick über den Teich lohnt sich öfter mal, wenn man wissen will, was auf uns noch so zukommt. Ich bin beispielsweise überzeugt, dass alle Werke von Rainbow Rowell in Deutschland bald so richtig einschlagen werden. Eleanor & Park war einer der Überraschungserfolge und als jemand, der alle ihre Bücher gelesen hat und seit gestern ihr neuestes Werk Carry On verschlingt, kann ich sagen: Freut euch drauf! Lest alles von ihr! Ich selbst stelle beim Blick auf die Bestseller fest, dass ich endlich All The Bright Places lesen sollte. Und auch Red Queen lacht mich schon lange an, ebenso wie Everything, Everything. Wenn ich neue Juwelen entdecke, bin ich jedes Mal ein wenig aufgeregt. Denn neue Bücher sind aufregend, neue Geschichten fesselnd und manchmal wird man sogar in neue Welten entführt.

An dieser Stelle noch zwei Empfehlungen für alle, denen es so geht wie mir:
Ich mach was mit Kinder-Büchern & Bücherkinder
Und folgende ganz fiese Sache (für den Geldbeutel) habe ich gerade entdeckt: YA Book Releases in October 2015

Bilder: tumblr, IdealBookshelf.com

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen