Dienstag, 20. Oktober 2015

[Rezension] Heather Petty - My Dear Sherlock

Faszination Sherlock Holmes. Dank der BBC-Serie mit Benedict Cumberbatch und Martin Freeman hat der Meisterdetektiv in den letzten fünf Jahren ein fulminantes Revival erlebt. Dabei vergisst man gerne einmal, dass schon zu Lebzeiten des Autors Arthur Conan Doyle ein regelrechter Hype um Mr. Holmes entstanden ist. Als Conan Doyle selbst keine Lust mehr hatte, tötete er Sherlock kurzerhand - keine gute Idee! Jahre später beugte er sich dem Willen des wütenden Mob und revidierte die Entscheidung wieder, indem er den Selbstmord als Täuschung hinstellte. Es ging munter weiter mit den Geschichten aus der Baker Street. Ob er sich damals gedacht hätte, dass sein Werk über hundert Jahre später Inspiration für eine Vielzahl von Geschichten und Neuinterpretationen sein würde? Vermutlich nicht!

Was Steffen Moffat und Mark Gatiss mit Sherlock losgetreten haben, ist ein Phänomen. Die Serie hat es nicht nur geschafft, das etwas angestaubte Material in unsere Zeit zu versetzen und dabei absolut glaubwürdig zu sein, sondern vor allem ein neues Interesse an Holmes und Watson geweckt. Man liest die Bücher wieder, pilgert in die Baker Street... und wenn man Autor ist, dann bedient man sich der Charaktere. Ich mag derartige Neuinterpretationen. Auch Elementary bedient sich in groben Zügen bei Conan Doyles Büchern. Aber man weicht auf kreative Weise davon ab, allein durch den Wechsel von John zu Joan Watson und die Tatsache, dass Jamie Moriarty und Irene Adler eine Person sind. 

My Dear Sherlock packt nun schließlich verschiedene Elemente zusammen in ein Buch.
Sherlock Holmes in der heutigen Zeit - das erinnert an BBC-Sherlock. Eine weibliche Moriarty - das kennen wir von Elementary. Und schließlich dreht es sich hier um die Jugendjahre des Meisterdetektives - Andrew Lanes Young Sherlock Holmes lässt grüßen. Es ist eine Mischung aus drei bekannten Werken und doch kommt dabei etwas anderes heraus. Das liegt vermutlich zum Einen daran, dass die Geschichte aus Sicht von James Moriarty, genannt Mori, erzählt wird. Ein junges Mädchen, das mit ihren drei Brüdern und ihrem gewaltätigen Polizisten-Vater in der Baker Street wohnt und eines Tages den berüchtigten Sherlock Holmes in seinem Labor kennenlernt. Die beiden merken sofort, dass sie auf einer Wellenlänge sind, vor allem was ihren Intelligenzquotienten, ihren Scharfsinn und ihre Beobachtungsgabe angeht. Da gerade ein Mord im Regent's Park passiert ist, können die beiden gleich unter Beweis stellen, was sie drauf haben. Und daraus ein Spiel machen: Wer den Mord als Erster aufklärt, gewinnt. Aber leider bleibt es nicht lange ein "Vergnügen" für die beiden, diesen Fall zu lösen. Denn es steckt mehr hinter diesem Mord, als man auf den ersten Blick zu sehen glaubte. Und das bringt nur nur Mori, sondern vor allem auch die Freundschaft zu Lock an ihre Grenzen.

Der Untertitel der deutschen Ausgabe ist Wie alles begann, es ist bekannt, dass wir hier den Auftakt zu einer Trilogie vor uns haben. Man darf gespannt sein, was sich tut, wie sich die Charaktere entwickeln und vor allem natürlich ob Moriarty von der Detektivin an Sherlocks Seite doch auf die dunkle Seite wechselt, wie man es eigentlich vom Charakter mit diesem Namen kennt. Wird es in den folgenden Bänden das bekannte Katz- und Maus-Spiel geben oder wird Heather Petty weiter ihre ganz eigene Geschichte spinnen? Ich bin gespannt, denn im Grunde ist hier alles offen. Das ist ja das Schöne an diesen Neuinterpretationen. Außerdem frage ich mich natürlich, ob John Watson, der bisher nur als Randfigur auftauchte, künftig doch eine wichtigere Position zukommen wird. Was ich mir auf jeden Fall wünsche ist ein Sherlock Holmes, der ein bisschen mehr in die exzentrische Richtung geht. Die Grundvoraussetzungen sind da, aber ich denke, man kann noch mehr aus ihm herausholen. Ich bin gespannt, wie sich die Reihe entwickelt. Aber leider wird man darauf noch bis nächstes Jahr warten müssen. 
Bis dahin kann man sich ja zumindest über das BBC-Sherlock-Weihnachtsspecial freuen, damit man nicht allzu sehr unter Baker Street Entzugserscheinungen leidet!

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