Sonntag, 12. März 2017

Wie lange dauert so ein KreaTief eigentlich?

Sonntagabend ist mein Lieblingsabend. Klingt wahrscheinlich erst einmal komisch, immerhin lugt der Montagmorgen schon um die Ecke und wenn ich behaupten würde, dass ich diesen Zeitgenossen besonders gerne mag, dann würde ich ein wenig flunkern.
Wäre ich begeisterte Tatort Zuschauerin, würde man meine Begeisterung für den Sonntagabend wahrscheinlich ohne Kommentar hinnehmen. Bin ich aber gar nicht mal - abgesehen von Tatort Münster, womit ich wahrscheinlich sehr Mainstream bin.
Meine Begeisterung für den Sonntagabend kommt daher, dass ich ihn meistens mit Dingen verbringe, die mir Spaß machen. Filmen, Serien, Büchern. In der Badewanne, auf der Couch, im Bett. Der Sonntagabend ist für das reserviert, was mich entspannt in die neue Woche starten lässt - damit dem Freund Montagmorgen ein wenig das Grauen genommen wird. 

Idealerweise kann man am Sonntagabend außerdem auf ein schönes Wochenende zurückblicken - und damit habe ich jetzt auch mal den Weg zu meinem eigentlichen Thema gefunden: Der heutige Sonntagabend ist anders als sonst. Woran man das erkennt? Ich bin erst um 18:00 zur Wohnungstür hereingekommen, nachdem ich die Wohnung um kurz nach 9:00 verlassen hatte und jetzt sitze ich hier und schreibe statt zu lesen oder eine Serie zu schauen. Das kommt in letzter Zeit leider verdammt selten bis gar nicht vor. 

Warum ich mir heute die Mühe mache, mein Schreiberling-Gehirn doch wieder einmal anzustrengen? Weil ich das Wochenende auf dem BarCamp München verbracht habe und dort so viel kreative Energie zugegen waren, dass zwei Dinge passiert sind: Ich war fasziniert und ich war irgendwie traurig. Fasziniert von all diesen tollen Menschen, die Dinge erschaffen, Ideen haben und natürlich vor allem den Mut dazu, sich dem Publikum zu stellen und über ihre Leidenschaft zu sprechen. Und traurig, weil mir das erst recht etwas bewusst gemacht hat: Ich bin momentan absolut nicht kreativ. Und das ist schade. Früher habe ich oft gesagt, dass ich das Schreiben als Ventil benutze, dass das meine Art der Kreativität ist, dass es mir besser geht, wenn ich schreibe. Irgendwie scheine ich das in letzter Zeit vergessen zu haben. Gestern bin ich bei der Vorstellungsrunde nicht einmal auf die Idee gekommen, mich selbst mit dem Hashtag #schreiberling - zu beschreiben. Vermutlich, weil ich mich momentan einfach nicht wie einer fühle. Selbst hier war ich absolut nicht kreativ - und dabei kann ich doch eigentlich mit Worten so gut umgehen. 

Mein letzter Blogeintrag ist vom Oktober 2016 - das ist ein halbes Jahr her. Was ich seitdem geschrieben habe? Frei zitiert aus Der Teufel trägt Prada: "Und du schreibst auch nichts mehr" - "Stimmt nicht, ich schreibe doch Emails". Von denen schreibe ich täglich wirklich eine Menge. Seit einem knappen Monat twittere ich auch wieder - was manchmal tatsächlich ein kreativer Output sein kann, wenn mir etwas lustiges einfällt. Und sonst? Manchmal schreibe ich einigermaßen kreative Texte in meine Powerpoint Präsentationen - aber die werden am Ende dann ja doch wieder gekürzt. 

Direkt vor meinem Bett, also aktuell genau in meinem Blickfeld, steht ein Regal voller Zeitschriften. Ein paar Vogues, alle InStyles der letzten drei bis vier Jahre, viele Nylons und mein ganzer Stolz: Meine Artikel in Print. Buchrezensionen, Convention-Berichte, Interviews, Serienempfehlungen... für mich im Grunde einfach meine Kreativität, die ich anfassen kann. Die ich aus dem Regal ziehen kann, die schwarz auf weiß (oder auch mal bunt) zeigt: Das hast du mal geschaffen. Das kam aus deinem Kopf und jetzt ist es gedruckt und wurde von anderen Menschen gelesen. Das sind mit deinen Worten gefüllte Seiten, auf die du stolz sein kannst. Von 2011 bis 2015 sind so viele Texte entstanden, dass ich sie gar nicht mehr zählen kann. Zeit mit Schreiben zu verbringen war normal, kreativ sein an der Tagesordnung, manchmal sprudelte ich vor Ideen nur so über und wusste nicht, wo ich anfangen soll. 

Vor zwei Wochen war ich mit einem meiner ältesten Freunde beim Essen. Was er irgendwann fragte? "Stephie, schreibst du momentan eigentlich?". Was ich sagen musste "Na ja, nicht wirklich..." Seine Antwort ist seit Jahren dieselbe, egal, wie ich antworte: "Schreib doch. Schreib ein Buch. Du kannst das. Ich würde es lesen und viele andere sicher auch." Meine Antwort darauf ist meistens auch dieselbe "Ja, ich hab ja letztens angefangen, aber irgendwie wurde nichts draus." Und schon ist das Thema von meiner Seite wieder abgehakt. Vielleicht überlege ich den Rest des Abends noch, ob er nicht vielleicht doch Recht hat, aber im Endeffekt ändert sich wieder einmal nichts, obwohl ich ganz genau weiß, dass er ja im Grunde recht hat. Ich weiß nicht, ob ich schreiben "kann", aber ich weiß, dass ich schreiben "will" und schreiben "mag". Dass ich schreiben auch irgendwie "brauche". Also warum nicht einfach machen?

Tatsächlich ist es so, dass auf meiner Festplatte der Anfang eines Romans und Notizen zu einer weiteren Buchidee schlummern. Ich habe wahnsinnig enthusiastisch mit dem Brainstorming begonnen, Pinterest-Boards angelegt, Personen kreiert, Kapitel geplant, drauf losgeschrieben. Zweifel bekommen, Projekt beiseite gelegt. Weil keines davon sich richtig angefühlt hat, obwohl ich anfangs so davon überzeugt war. Aber alles klang entweder wie etwas, das man schon kennt oder so, als würde konstant der rote Faden fehlen. In solchen Situationen frage ich mich dann gerne, wie ich es früher geschafft habe, Fanfictions in Romanlänge zu schreiben. Vielleicht habe ich einfach weniger nachgedacht. Oder es ist doch einfacher, sich an den Figuren anderer Leute bedienen und niemanden erschaffen zu müssen ohne Gefahr zu laufen, dass man irgendwann über sich, sein Umfeld und den aktuellen Traummann schreibt. 

Ich habe mir in der letzten Zeit immer neue Tricks überlegt, wie das mit mir und dem Schreiben wieder besser klappen könnte. Ich habe irgendwann beschlossen, den Dienstag als Schreibtag zu nehmen. Das hat genau einmal geklappt, dann bin stattdessen wieder zum Sport oder Essen gegangen, habe eine Serie geschaut oder einfach gar nichts gemacht.
Ich mache mir immer fleissig Notizen zu Themen, die mich bewegen. Aber das war's dann auch. Die Ideen (und es sind nicht wenige) schlummern auf dem iPhone vor sich hin und warten immer noch darauf, dass ich etwas aus ihnen mache. Ich jammere gerne mal, dass mir langweilig ist und mein Hirn schrumpft, aber wenn dann der Kollege sagt "Fang doch einen Blog an", dann sage ich nicht einmal mehr "Ich habe ja einen", geschweige denn, dass ich wirklich einfach wieder mehr schreibe. Dass ich für diesen Eintrag schon so viel auf das virtuelle Papier gebracht habe, ist geradezu erstaunlich. Aber vielleicht tatsächlich dem BarCamp geschuldet.

Ich weiß nicht, ob es an der tollen Session lag, in der wir kreativ rumgesponnen haben, am allgemeinen kreativen Flair oder einfach daran, dass ich neidisch war auf all die kreativen Leute - aber ich ging heute Abend nach Hause und irgendwo in meinem Hinterkopf regte sich der Schreiberling. Der Part von mir, der das kann, auf das ich stolz bin. Der Part, der mich zu jemandem Kreativen macht. Der Part, der eventuell Dinge erschaffen kann, die andere ein klein wenig begeistern. Wortakrobaten gibt es wie Sand am Meer und irgendwann werden wir alle überflüssig und Texte automatisiert. 90% meines Umfeldes lesen meine Texte nicht oder nur halb, weil sie gar nicht die Geduld dazu haben, so lange Texte zu lesen. Und das ist schwer für jemanden, dem immer so viele Wörter durch den Kopf schwirren. Ich will mich nicht kurz fassen müssen, wenn mir nicht danach ist. Wenn die Worte da sind, dann wollen sie raus. Und zwar alle und nicht nur ein Teil. 

Gerade überlege ich, ob ich mir diesen Text noch einmal durchlesen soll. Ob ich ihn als Entwurf speichern soll oder veröffentlichen. Ob ich alles markiere und lösche oder doch so stehen lasse. Was mir momentan fehlt, ist das Durchhaltevermögen und irgendwie auch der Glaube an das, was mir früher so leicht von der Hand ging. Als ich mehrseitige Artikel in zwei Stunden geschrieben habe und danach das Gefühl hatte, mein Gehirn sei ausgewrungen worden. Aber gerade dieses Gefühl macht mich zufrieden und glücklich: Ich habe meine Ideen auf Papier gebracht, meine Gedanken in Worte gefasst und wenn es wirklich gut lief, sind mir ein paar Formulierungen eingefallen, die mich auch jetzt noch stolz machen.

Es ist schon März, aber Vorsätze machen kann man das ganze Jahr. Für mich heißt das sehr klischeemäßig: Weniger jammern, mehr machen. Weniger neidisch sein auf das, was andere können und mich auf das besinnen, was ich kann. Weniger konsumieren, mehr selbst erschaffen. Und wenn es nur der lang geplante und angekündigte Text zu meiner Hassliebe zum Yoga ist... 

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